Über die Persönlichkeit

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Weit verbreitet gilt die Ansicht, dass sich die eigene Persönlichkeit nur bis zum jungen Erwachsenenalter entwickelt und von diesem Zeitpunkt an konstant bleibt. "So bin ich eben", ist dann eine häufige Ausrede. Neue Erkenntnisse widerlegen diese Theorie.

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, lautet ein altbekanntes Sprichwort. Dies mag vielleicht auf gewisse Bereiche des Lebens zutreffen – nicht jedoch auf das „Lernen“ der eigenen Persönlichkeit. Eine Studie, die von Jule Specht, Professorin für Psychologie an der Freien Universität Berlin, in Zusammenarbeit mit Maike Luhmann und Christian Geiser verfasst wurde, kommt zu der Erkenntnis, dass sich etwa jeder vierte Mensch eines Persönlichkeitstyps ab einem Alter von etwa 70 Jahren noch einmal deutlich ändert. Die Ausrede „so bin ich eben“ dürfte dank dieser Erkenntnis Obsoleszenz erfahren.

Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler zwei groß angelegte Langzeitstudien in Deutschland und Australien mit insgesamt mehr als 23.000 Datensätzen von Personen im Alter von 16 bis 82 Jahren. Diese sollten über die gesamte Laufzeit der Untersuchung verteilt Selbstauskünfte zu den sogenannten „Big Five“ der Persönlichkeiten geben. Dazu zählen der Grad an Intro- bzw. Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, die Verträglichkeit im Umgang mit anderen sowie die emotionale Stabilität.

Explizit kommen Specht und ihre Kollegen zu dem Schluss, dass sich eine Festigung der Persönlichkeit lediglich bis ins mittlere Erwachsenenalter vollzieht. Danach findet oftmals ein bemerkenswerter Wandel des Charakters statt. Doch bereits im jungen Erwachsenenalter, das bei etwa 30 Jahren liegt, konnten signifikante Veränderungen von einem unkontrollierten Persönlichkeitstyp, welcher sich durch einen Mangel an Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit auszeichnet, hin zu einem sozial angepassten Persönlichkeitstyp beobachten. In einem Zeitraum von vier Jahren im Alter von ungefähr 70 Jahren findet die bereits angesprochene, besonders bemerkenswerte Veränderung statt. Bis zu 25 Prozent der untersuchten Personen dieses Alters zeigten Persönlichkeitsentwicklungen in diverse Richtungen. Allerdings ist der genaue Grund für diesen späten Wandel unbekannt. Doch anders als zu vermuten, spielen Änderungen der Gesundheit, der Eintritt ins Rentenalter oder Enkel eine erstaunlich geringe Rolle. Eine Möglichkeit wäre eine veränderte Lebenseinstellung; dies wird derzeit von Jule Specht untersucht.