Was in Projekten nicht stattfindet: Führung

Artikel als pdf Datei herunterladen

 

Projektmitarbeiter wünschen sich zusehends einen „starken Mann“ in der Projektleitung. Ihnen fehlen klare Führung und Transparenz in der Entscheidungsfindung. Doch Verantwortung zu übernehmen bedeutet auch Entscheidungen zu treffen. Dabei darf der Projektmanager keine Angst vor falschen Entscheidungen haben - das ist besser, als gar keine Entscheidung zu treffen.

Wunsch einbezogen zu werden – aber ohne Verantwortung zu übernehmen
Führungskräfte als die „legitimen“ Entscheider nehmen immer weniger direkten Einfluss auf Entscheidungen. Stattdessen werden Entscheidungen zunehmend in Gremien ausgelagert beziehungsweise an Experten delegiert, was wiederum dazu führt, dass Mitarbeiter die genauen Entscheidungsprozesse im Unternehmen gar nicht mehr kennen, oder die Entscheidungsfindung als beliebig und unberechenbar erlebt wird. „Bei uns wird viel diskutiert und nichts entschieden“, oder „wer hier was zu sagen hat, weiß keiner so recht“. In einer solchen Atmosphäre der Undurchsichtigkeit wundert es nicht, dass der Wunsch nach Einfachheit, nach dem einen starken Mann, entsteht.

Undurchsichtigkeit der Entscheidungen
Nicht nur in der Wirtschaft sondern auch in der Politik ist das Phänomen der Entscheidungsbeliebigkeit anzutreffen. Dort wird dieses Phänomen als „Postdemokratie“ bezeichnet. Postdemokratie bedeutet, dass Entscheidungen immer weniger in den dafür legitimierten Institutionen getroffen werden, sondern in Konstellationen, die politisch, ökonomisch und nach anderen Kriterien zusammengesetzt werden. Natürlich ist ein Unternehmen – wie auch ein Projekt - keine demokratische Veranstaltung. Dennoch ähneln sich manche Entwicklungen, die in der Gesellschaft und in Unternehmen anzutreffen sind. Auf der einen Seite steht der Wunsch nach Beteiligung und Mitsprache in einer immer komplexer werdenden (Arbeits-)Welt, auf der anderen Seite steht der Wunsch nach Eindeutigkeit und klaren Strukturen.

Aus Verantwortung wird Zuständigkeit
In Projekten werden Entscheidungen in verschiedenen Gremien getroffen. Bereiten diese Gremien Entscheidungen nur vor oder treffen die Gremien die Entscheidungen? Diese Gremienwelt ist für einen (Projekt-)Mitarbeiter nicht immer einfach zu durchblicken. Wenn aber Verantwortungsstrukturen nicht mehr erkennbar sind, wird vieles scheinbar beliebig. Das gilt auch für die Entscheidungsprozesse in komplexen Systemen (Projekten): In Projekten wird immer wieder die Frage laut: Wer hat welche Entscheidungskompetenz? Wer hat welche Verantwortung? Wo diese Fragen unter den Beteiligten nicht eindeutig geklärt sind, wird aus Sicht der Akteure nicht entschieden, beziehungsweise sich nicht an den Prozess gehalten, so dass aus Sicht des Einzelnen in die Kompetenzen anderer eingegriffen wird und Verantwortung zu Zuständigkeit verwässert wird.

Richtig oder gut entscheiden?
So nachvollziehbar der Wunsch nach „richtigen“ Entscheidungen auch ist – eine Führungskraft sollten auch „gut“ entscheiden. Experten wollen sachlich richtige Entscheidungen treffen – Führungskräfte sollen aber den Kurs entscheiden. Eine Kursentscheidung auf das sachlich Richtige zu reduzieren bedeutet, viele weitere Aspekte und Perspektiven außer Acht zu lassen. Denn Fachexperten sind bei komplexen Entscheidungen immer nur eine Stimme. Was ist die Lösung? Im Wirtschaftsbereich wird an dieser Stelle gerne das Stichwort „Governance“ eingebracht. Es bezeichnet alle Formen und Mechanismen der Koordination von mehr oder weniger autonomen Akteuren, deren Handlungen untereinander abhängig sind. Es geht darum, die verschiedenen Einflüsse und Dynamiken zu berücksichtigen und in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Kritiker bemängeln aber, dass mit dem Begriff „Governance“ oftmals nur ein autoritärer Charakter von bestehenden Entscheidungsprozessen verschleiert wird.

Was wäre zu tun?
Projekte leben davon, dass sie in einem klaren Rahmen stattfinden. „What is in scope - What is out of scope” ist die Grundmaxime des Projektmanagements. Genau so klar wie der Leistungsrahmen der Projektdefinition müssen die Verantwortlichkeiten im Projekt beschrieben sein. Je nach Projektphase und Projektfortschritt können und müssen diese sich auch anpassen.
Als Projektleiter muss man die Entscheidungen der Projektorganisation und der Linienorganisation verstehen wollen. Wer die Entscheidungsprozesse kennt und diese seinen Mitarbeitern nachvollziehbar machen kann, stärkt seine eigene Führungsautorität.
Und schließlich: Eine Entscheidung zu treffen bedeutet auch immer eine falsche Entscheidung zu treffen. Eine falsche Entscheidung ist aber oftmals besser als keine Entscheidung. „Führen“ heißt zu entscheiden und sich dann auch den Konsequenzen zu stellen.

 

Autor:

Clarissa Beck
Redakteurin - PMSTATUSREPORT

Kontakt: Redaktion@pmstatusreport.de