Scheitern ist Scheiße

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Machen wir uns nichts vor: Scheitern ist Scheiße. Ein Projektabbruch ist ein klarer Misserfolg und fühlt sich immer blöd an. Der Schmerz über die vermeintliche Niederlage ist nicht nur psychisch, sondern oft sogar physisch spürbar. Trotzdem müssen wir wieder aufstehen und weitergehen. Doch warum geht das nicht immer so einfach im Berufsleben? Warum können und dürfen wir anscheinend nicht über Misserfolge im Projekt sprechen?

Scheinbar zählt nur der Erfolg
Die Sozialpsychologie gibt dem Vormarsch des Kapitalismus eine Teilschuld an unserem modernen Erfolgsdenken. Hier begann sich die Sieger-/Verlierer-Mentalität herauszubilden. Natürlich wollen wir alle Gewinner sein, deshalb richten wir unser Leben nach Erfolg aus. Das bekommen schon die Kleinsten mit: Fernsehformate wie „Deutschland sucht den Superstar“, „Germany’s next Topmodel“ oder „The Voice“ fördern eben dieses Erfolgsdenken und vermitteln gleichzeitig die Erkenntnis: Wer hier nicht reinpasst, hat versagt. Doch Niederlagen gehören zum Menschsein und deshalb müssen wir lernen, mit ihnen umzugehen und sie ohne schwerwiegendere Blessuren zu überstehen. Diese Fähigkeit ist schon jetzt im Berufsleben sehr wichtig und wird künftig auch und gerade für die Projektarbeit noch sehr viel wichtiger werden. Das große Ziel bei der Verarbeitung sollte sein, am Ende aus der Niederlage für sich persönlich einen Sieg zu machen.

„Gescheit scheitern“
Psychologe und Managementberater Heinz Becker aus Hamburg unterscheidet hier zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Scheitern. Er vertritt die Meinung, dass man sich damit abfinden müsse, von Erfolg und Misserfolg abhängig zu sein. Becker rät vor allem dazu, den „aufrechten Gang“ zu bewahren.
Wer „schlecht“ scheitert, hat vielleicht schon vorher um jeden Preis versucht, Fehlschläge zu vermeiden. Doch das, so haben amerikanische Forschungen ergeben, kann von Passivität und Schamgefühl bis hin zu Depressionen führen. Projektmanager, die unnachgiebig an den gesteckten Zielen festhalten und nicht sehen (wollen), dass die Zeichen auf „Abbruch“ stehen, werden nicht „gescheit scheitern“.
„Gut“ scheitern bedeutet dagegen, die Niederlage zu akzeptieren, das Projekt loszulassen und damit Platz und Energie für neue Aufgaben zu schaffen. Andauernde Selbstkasteiung bringt ein gescheitertes Projekt auch nicht zurück auf die Zielgerade. Projektmanager sollten deshalb mit einer hohen Resilienz ausgestattet sein. Wichtig ist, dass dieser Prozess meist nicht allein zu bewältigen ist. Hierzu benötigt der Betroffene ein festes soziales Umfeld – Freunde und Familie, denen er sich auch in unangenehmen Situationen anvertrauen kann.

Wo Schatten ist auch Sonne
Zuerst muss man sich allerdings eingestehen, dass man eine Niederlage erlitten hat. Wer Misserfolg nicht akzeptieren kann und Fehler nicht eingestehen kann, kommt mit der Aufarbeitung nicht weiter. Menschen neigen dazu, die Fehler bei anderen zu suchen und sich als Opfer zu fühlen. Für die weitere persönliche und berufliche Entwicklung ist das kontraproduktiv. Haben wir erkannt, dass wir eine Niederlage erlitten haben, müssen wir versuchen zu analysieren, warum das Projekt gescheitert ist. Lag es daran einen der wesentlichen Erfolgsfaktoren nicht beachtet zu haben oder handelte es sich um ein komplexes Geflecht an negativen Einflüssen? Nur wenn der Projektmanager die Ursache benennen kann, kann er für künftige Projekte aus dem Fehler lernen und ihn versuchen zu vermeiden. Bei der Suche nach Fehlern darf man in der Rückschau allerdings gern auch auf seine Erfolge blicken und sie hervorheben. Wichtige Teilprojekte, die die erfolgreich absolviert wurden und Zwischenziele, die das Projektteam gemeistert hat, dürfen im Rückblick nicht verschwinden. Sie helfen den Projektmitarbeitern, sich für neue Aufgaben zu motivieren.

Von Sportlern lernen
Projektmanager tragen zudem noch eine besondere Verantwortung. Denn sie müssen Misserfolge nicht nur für sich selbst verarbeiten, sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass das gesamte Projektteam aus den Fehlern lernt und sich für neue Projekte motivieren kann. Hier können wir viel von Leistungssportlern lernen. Sie ziehen einen erheblichen Teil ihres Selbstbewusstseins aus sportlichem Erfolg und Leistungsfähigkeit. Deshalb stehen sie im Wettkampf unter besonderem Druck und die Wahrscheinlichkeit, dass sie trotz effektiver Vorbereitung am Ende nicht als Gewinner vom Platz gehen, ist ungleich höher, als im Projektmanagement.
Auch Profisportler müssen versuchen, die Niederlage abzuhaken und sich auf den nächsten Wettkampf fokussieren. Getreu dem Motto „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ müssen Athleten Misserfolge schneller. Projektmanager haben den Vorteil, dass sie Zeit für die Fehleranalyse haben und nicht mehrere „Wettkämpfe“ am Tag bestreiten müssen. So bleibt mehr Zeit für gezielte Aufarbeitung von Niederlagen und Lehren aus der erlittenen Niederlage.

Fazit
Scheitern ist menschlich und Misserfolge gehören zum Leben, ganz gleich, ob im privaten Bereich oder im Beruf. Projektmanager stehen unter besonderem Erfolgsdruck und müssen deshalb besonders resilient sein und starke Methoden zum Umgang mit Niederlagen entwickeln. Dazu gehört in erster Linie, sich einen Misserfolg eingestehen zu können. Erst dann kann man aus den Fehlern lernen und gestärkt aus der Niederlage hervorgehen.

 

Autor:

Clarissa Beck
Redakteurin - PMSTATUSREPORT

Kontakt: Redaktion@pmstatusreport.de